Im Zuge der zunehmenden Renovierungs-, Modernisierungs- und Instandhaltungsarbeiten stellt der Universalwerkstoff ASBEST den Bauherren und die ausführenden Gewerke immer wieder vor neue Herausforderungen in den Bereichen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, sowie der sachgerechten Entsorgung und Deponierung. Das der unbedachte Umgang mit dem Gefahrstoff Asbest sowohl für den Handwerker als auch für den Gebäudenutzer und die Umwelt zur Gefahr werden kann, ist den wenigsten am Bau beteiligten Personen bewusst, was einen erhöhten interdisziplinären Aufklärungsbedarf mit sich bringt.
Die Renovierungs-, Modernisierungs- und Instandhaltungswelle bei Immobilieneigentümern reißt nicht ab, doch die einst sinnvoll eingesetzten Schadstoffe in der Bausubstanz finden aus vielerlei Gründen wenig Beachtung, was nicht nur gesundheitliche Auswirkungen für die Baubeteiligten und Nutzer haben kann, sondern auch die Kosten für die Baumaßnahme nachträglich in die Höhe schnellen lässt. Daher ist es ratsam bereits bei der Planung von energetischen Sanierungen zu überprüfen, ob man mit asbesthaltigen Baumaterialien (Dacheindeckung oder Fassadenplatten aus Asbestzement, asbesthaltiger Fensterkitt) oder anderen Bauschadstoffen in Berührung kommt.
Auch bei der Modernisierung der Innenräume besteht ein Gefährdungspotential durch asbesthaltige Oberbodenbeläge, die mit asbesthaltigen Klebern auf mineralischen Untergründen befestigt wurden oder Parkettböden, die mit PAK-haltigen Kleber montiert wurden. Das Spektrum der eingesetzten Gebäudeschadstoffe ist bereit und bietet eine Herausforderung bei Arbeiten im Baubestand, die nur mit qualifizierten und zertifizierten Fachbetrieben ausgeführt werden sollten.
Die Wunderfaser Asbest birgt gerade bei Eingriffen in die Bausubstanz Gefahren, die für die Baubeteiligten nicht sichtbar und aufgrund Ihrer vielfachen Verwendung überall zu erwarten ist – gerade bei Gebäude, die vor 1995 errichtet wurden. (31.10.1993 Herstellungs- und Verwendungsverbot in Deutschland. Ein positiver Asbestfund, ist jedoch auch über das Verwendungsverbot hinaus wahrscheinlich.) Eine sichere Bestimmung, ob dem bauchemischen Produkt Asbest zugeführt wurde, kann nur durch eine qualifizierte Analyse erfolgen.
Asbest, ein Werkstoff mit vielen Gesichtern
Unter dem Sammelbegriff „Asbest“ werden zwei Hauptgruppen faserförmiger silikatischer Mineralien zusammengefasst. Zum einen die Gruppe der Serpentine mit dem sogenannten Chrysotil Asbest (Weißasbest) und zum anderen die Gruppe der Amphibole mit der Unterteilung von Amosit (Braunasbest), Krokydolith (Blauasbest), sowie den geogenen Asbesten Tremolit und Aktinolit – um hier einige exemplarisch zu nennen. Bei den Asbestarten Chrysotil, Amosit und Krokydolith handelt es sich um Asbestarten, die den Bauchemischen Produkten während der Herstellung aufgrund ihrer guten und vielfältigen technischen Eigenschaften hinzugefügt wurden, um das Bauprodukt zu verbessern. Bei geogenen Asbesten hingegen handelt es sich um die natürlich vorkommenden asbesthaltigen Mineralien im Ausgangsgestein. Dieses Ausgangsgestein wird bei der Rohstoffgewinnung abgebaut und später weiterverarbeitet. Eine Differenzierung, ob es sich um eine technisch hinzugefügte Asbestart oder eine natürlich vorkommende geogene Asbestart handelt, gibt es im Rahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes nicht, jedoch im Bereich der Abfallbehandlung. (siehe dazu das LAGA Merkblatt M 23)
Aufgrund seiner hervorragenden technischen Eigenschaften wie zum Bespiel der hohen Hitzebeständigkeit wurde Asbest vor allen Dingen in Bauprodukten im Bereich des baulichen Brandschutzes verbaut, wie zum Beispiel in Brandabschottungen und -abkastungen, in Brandschutztüren, Isolierungen, aber auch den Brandschutzklappen bzw. Klappenblättern die in Lüftungskanälen verbaut wurden, die aufgrund Ihrer Sanierungsdringlichkeit zeitnah saniert werden sollten, um eine Kontamination durch die vorhandene Luftströmung zu vermeiden.
Durch die gute chemische Resistenz gegenüber Säuren und Laugen wurde Asbest gerne im Bereich der äußeren Gebäudehülle (Dacheindeckung und Fassadenbegleitung), sowie bei Farben und Beschichtungsmitteln eingesetzt, um eine Langlebigkeit des Produktes zu erzielen.
Seine guten mechanischen Eigenschaften wie die Elastizität und die gute Verarbeitbarkeit führte dazu, dass der Gefahrstoff Asbest in Boden- und Wandbelägen, als Zuschlagsmittel in Klebern, Farben und Kitten, aber auch in Putze und Spachtelmassen verwendet wurde.
Obwohl bereits in den 60-ziger Jahren ein Zusammenhang zwischen dem Universalwerkstoff Asbest und dem sog. Mesotheliom (BK 4105), einem diffus wachsenden Tumor des Rippen-, Bauchfells oder des Herzbeutels mit einer hohen Sterblichkeit innerhalb eines Jahres erkannt wurde, fand eine Anerkennung als Berufskrankheit erst im Jahr 1977 statt. Neben dem Mesotheliom gibt es jedoch noch weitere Krebsarten, die in Zusammenhang mit dem Gefahrstoff Asbest gebracht werden, wie die Asbestose (Asbeststaublunge – BK 4103), aber auch Lungen, Kehlkopf- und Eierstockkrebs werden in Zusammenhang mit einer hohen Asbestexposition der versicherten Person gebracht.
Durch die Einstufung des Gefahrstoffs Asbest als CMR-Stoff der Kategorie 1A (mit Sicherheit als krebserzeugender Stoff einzustufen und am Menschen nachgewiesen) und dem allgemeinen Herstellungs- und Verwendungsverbot in Deutschland am 31.10.1993 sollte verständlich werden, warum der sachgerechte Umgang mit Asbest notwendig ist und teils umfangreiche Schutzmaßnahmen erfordert.
Vorsicht bei Arbeiten in Bestandsbauten
Leider können Arbeiten im Bestandsbauten nicht immer warten bis geeignete Lösungswege erarbeitet wurden und so erfordern besonders Wasser-, Brand- und Schimmelschäden ein schnelles und sicheres Vorgehen der Handwerker, die mit der jeweils zuständigen Arbeitsschutzbehörde und bei Bedarf auch dem zuständigen Unfallversicherungsträger abgestimmt werden müssen. (Die Vorgehensweisen können in Abhängigkeit der zuständigen Behörden stark variieren.) [Abb.1 zeigt die umfangreichen Schutzmaßnahmen die umgesetzt werden mussten im Rahmen einer Sanierung von asbesthaltigen Putzen im Bereich von Fensterlaibungen. Die Arbeiten mussten ausgeführt werden, damit im Anschluss die Fenster ausgetauscht werden konnten.]
Um eine erhöhte Gesundheitsgefährdung durch die früher in Baumaterialien verwendeten, jedoch nachweislich gesundheitsschädigenden Stoffe, bei Sanierungstätigkeiten in Gebäuden, die vor 1995 errichtet wurden auszuschließen, ist der Unternehmer angehalten sich die notwendigen Informationen zu beschaffen, um anschließend beurteilen zu können wie groß die gesundheitlichen Gefährdungen der Arbeitsnehmer bei den durchzuführenden Arbeiten sind.
Im Idealfall sollte der Unternehmer vor der Angebotserstellung, spätestens aber vor Beginn der Arbeiten ermitteln, ob asbesthaltige Baumaterialien in seinem Arbeitsbereich verwendet wurden, um Gefährdungen des Arbeitnehmers durch den Schadstoff und das gewählten Arbeitsverfahren bzw. die eingesetzten Maschinen und Geräte zu beurteilen, damit abschließend nach dem TOP-Prinzip geeignete Schutzmaßnahmen festgelegt werden können, die während des Bauprozesses auf Ihre Wirksamkeit zu überprüfen sind und im Bedarfsfall angepasst werden müssen.
Im Fokus dieser Vorgehensweise steht neben dem Schutz der Arbeitnehmer auch der Schutz von Unbeteiligten Dritten und der Umwelt.
Das TOP-Prinzip im Arbeitsschutz:
Grundsätzlich gilt bei der Planung von Schutzmaßnahmen das TOP-Prinzip, d.h. zunächst sind sämtliche Technische Maßnahmen auszuschöpfen, bevor Organisatorische und abschließend Personenbezogene Schutzmaßnahmen Anwendung finden.
Die allgemeinen Anforderungen an die Bauherren, die ausführenden Betriebe sowie das eingesetzte Personal sind in den geltenden Verordnungen, technischen Regeln und Veröffentlichungen der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherungsträger allgemeingültig definiert.
Die spezifischen Schutzmaßnahmen sind generell in Abhängigkeit von der höchsten Gefährdung auszuwählen und umzusetzen.
Gefährdungsbeurteilung – Grundstein für die Auswahl geeigneter Schutzmaßnahmen
Bereits seit 1994 ist jeder Unternehmer gemäß § 5 des Arbeitsschutzgesetzes verpflichtetet vor Beginn der Tätigkeiten seiner Arbeitnehmer eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen, um dann die notwendigen Schutzmaßnahmen auszuwählen, umsetzen und auf Ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Konkretisiert wird die Forderung an den Unternehmer durch die aktuell gültige Gefahrstoffverordnung, sowie die TRGS 519. Durch die Erstellung der notwendigen Gefährdungsbeurteilung, kann der Unternehmer ggf. auch zu dem Ergebnis kommen, dass er nicht über die notwendigen Voraussetzungen verfügt, um Umfangreiche Asbestsanierungsarbeiten auszuführen. Die durch eine sachkundige Person erstellte Gefährdungsbeurteilung ist der Grundstein für die Auswahl der geeigneten Schutzmaßnahmen für Arbeiten an Asbest.
Die nachstehende Tabelle zeigt auf, welche Anforderungen bei der Sanierung von Asbest vs. Schimmelpilz zu erfüllen sind. (Abb. 2 Auswahl geeigneter Schutzmaßnahmen – Asbest (schwachgebunden) und Schimmelpilz)
Emissionsarme Arbeitsverfahren nach DGUV 201-012
Um die notwendigen Schutzmaßnahmen und personellen Anforderungen so gering wie möglich zu halten, werden beim Umgang mit dem Gefahrstoff Asbest gerade von Bauherrenvertretern und anderen Gewerken vermehrt emissionsarme Arbeitsverfahren gefordert. Dabei wird bei der Forderung oft außer Acht gelassen, dass die beschriebenen Arbeitsverfahren, nur dann eine Zertifizierung besitzen, wenn sie entsprechend ihrer Beschreibung ausgeführt werden. Alle in der DGUV-Information 201-012 (ehemals BGI 664) beschriebenen Arbeitsverfahren sind eins zu eins umzusetzen. Freie Interpretationen und Abwandlungen der beschriebenen Verfahren sind nicht zulässig!
Nur unter Einhaltung der genauen Verfahrensbeschreibung halten die zertifizierten Verfahren eine Fasergrenze von 10.000 F/cbm ein, die anhand von personenbezogenen Messreihen und stationären Messungen im Arbeitsbereich während der Durchführung der Arbeiten nachgewiesen wurde. [Abb. 3 zeigt die Arbeitsweise während der personenbezogenen Messreihen der Zertifizierungsbaustelle für das Bautechnische Verfahren BT33.3 zur Entfernung von Floor-Flex-Platten von asbesthaltigem Kleber und Abb. 4 die Randbearbeitung mittels einer unterdruckgesteuerten Handschleifmaschine mit Direktabsaugung.]
10.000 F/cbm = Akzeptiertes Krebsrisiko von 4:10.000
Durch die Messreihen wurde belegt, dass Mitarbeiter an den Maschinen bzw. im Arbeitsbereich einer maximalen Faserbelastung von 10.000 F/cbm ausgesetzt sind. Bei der Fasergrenze von 10.000 F/cbm liegt das Krebsrisiko des Handwerkers unter der Annahme eines Arbeitslebens von 40 Jahren und einer Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche bei 4:10.000 (= Akzeptanzrisiko gemäß TRGS 910). Bei Einhaltung dieses Grenzwertes gestattet die TRGS 519, Nr. 15.5, dass auf das Tragen von Atemschutz verzichtet werden kann – bei Arbeiten an Asbest ohne Atemschutz liegt die Wahrscheinlichkeit bei 4/10.000 = 0,0004 an Krebs zu erkranken, den Jackpot beim Eurolotto gewinnt man mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/95.000.000 = 0,00000001. [Abb. 5 Expositions-Risiko-Beziehung für den Gefahrstoff Asbest unter Verwendung der TRGS 910 und der TRGS 519]
Die Gefahrstoffverordnung regelt die Anforderungen an die Arbeiten an Asbest, die in der TRGS 519 konkretisiert werden
Gemäß der Gefahrstoffverordnung Anhang II Nummer 1 gilt „Arbeiten an asbesthaltigen Produkten sind verboten“; mit Ausnahme der sogenannten ASI-Arbeiten. Ebenfalls verboten sind Arbeitsverfahren im Rahmen von Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten, die zu einem Abtrag von asbesthaltigen Oberflächen führen (Abschleifen, Druckreinigen, Abbürsten und Bohren), es sei denn es handelt sich hier um ein emissionsarmes Verfahren nach TRGS 519, Nr. 2.9. Die meisten dieser in der DGUV-Information 201-012 veröffentlichen Verfahren dürfen von Fachbetrieben ausgeführt werden, die über die notwendige Sachkunde und die notwendige Gerätetechnik verfügen und sind einmalig unternehmensbezogen anzuzeigen. Aus Gründen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes ist der Unternehmer angehalten ein emissionsarmes Verfahren zur Entfernung von asbesthaltigen Bauprodukten anzuwenden, wobei hier besonders auf die Kombination aus Sachverstand und Maschinentechnik gesetzt werden muss, um ggf. die Schutzmaßnahmen anzupassen und den Umgebungsschutz zu gewährleisten, da das tatsächliche Gefährdungspotenzial Mensch – Maschine – Baukörper nicht vollumfänglich zu erfassen ist und es schnell zu ungewollten Expositionsspitzen kommen kann.
Fazit: Die Gefahrstoff Asbest stellt die gesamte Baubranche auch nach 30 Jahren Herstellungs- und Verwendungsverbot vor große Herausforderung. Arbeiten im Baubestand sollten daher gut geplant und sachkundig begleitet werden, um unnötige Gesundheitsgefährdung der Beteiligten Personen zu vermeiden und Gefährdung auszuschließen.